Miroslav Penkov: East of the West – A Country in Stories

Deutscher Titel: Wenn Giraffen fliegen
Erscheinungsjahr: 2012
Land: Bulgarien, USA

Die Titelstory von Miroslav Penkovs Kurzgeschichtenband „East of the West“ hat den diesjährigen „BBC International Short Story Award“ gewonnen und insgesamt waren die meisten Kritiken sehr positiv. Deshalb, und weil es nur wenige zeitgenössische bulgarische Autoren gibt, die in anderen Sprachen als Bulgarisch zugänglich sind, war ich gespannt, dieses Buch zu lesen. Miroslav Penkov ist mit 18 Jahren für sein Studium in die USA ausgewandert, wo er inzwischen Professor ist. Seine Kurzgeschichten schreibt er auf Englisch.

Wie die meisten Kurzgeschichten-Sammlungen hat auch diese ihre Höhen und Tiefen. Gelungen fand ich diejenigen Geschichten, in denen junge Bulgaren in den USA versuchen, mit den Schwierigkeiten eines Migrantenlebens zurechtzukommen. Penkov beschreibt zum Beispiel einen Studenten, der erst als heimwehgeplagter Außenseiter an einem amerikanischen College eine engere Beziehung zu seinem schlecht gelaunten, kommunistischen Großvater aufbauen kann. Oder einen erfolgreichen Auswanderer, der seiner koreanischen Ehefrau endlich seine Heimat präsentieren möchte, was schrecklich schief geht. Oder einen Mann, dessen Ehe kurz nach der Emigration scheitert und der sich nun mit Gelegenheitsjobs in einem Amerika über Wasser hält, das ganz anders ist als in seinen Träumen.

Neben diesen Geschichten, deren Protagonisten dem Autor zumindest oberflächlich betrachtet ähneln, gibt es noch eine Reihe von Erzählungen, die im Bulgarien der 60er bis 90er Jahre spielen. Hier sind die Hauptpersonen meist ältere Männer oder junge Mädchen, und deren Perspektive nimmt der Autor meiner Ansicht nach weit weniger überzeugend ein. Auch inhaltlich war ich von den meisten dieser Geschichten eher enttäuscht. Zwar befasst sich Penkov vereinzelt mit Themen, die in der bulgarischen Öffentlichkeit wenig diskutiert werden, etwa der Zwangsbulgarisierung der bulgarischen Türken in den 1980er Jahren. Aber er bedient leider auch in mehreren Geschichten die alten Klischees vom Joch der osmanischen Herrschaft, das vermeintlich an allen Defiziten der bulgarischen Gesellschaft schuld ist. Außerdem hätte ich mir mehr Erzählungen über das aktuelle Bulgarien gewünscht. So spielt zum Beispiel der EU-Beitritt in den Geschichten keine Rolle, obwohl er meinem Eindruck nach im bulgarischen Alltag sehr präsent ist.

Insgesamt sind die Kurzgeschichten von Miroslav Penkov unterhaltsam, aber nur wenige Geschichten bleiben dauerhaft im Gedächtnis. Sie bieten einen guten Einblick in die Situation junger Bulgaren in der Emigration und reißen verschiedene Ereignisse der bulgarischen Geschichte an. Aber wer ein Buch lesen möchte, dass das Leben im heutigen Bulgarien beschreibt, muss weitersuchen.

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Eine Antwort zu Miroslav Penkov: East of the West – A Country in Stories

  1. Matthias schreibt:

    Das klingt ja sehr interessant! Das muss ich auch mal lesen!

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